Zwischen Mieter und Vermieter besteht oft ein wirtschaftliches Ungleichgewicht. Geht die Unterlegenheit einer Vertragspartei so weit, dass man an eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 (3) ABGB denken könnte, so liegt auch die Anwendung der Schutzbestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) nahe. Ist eine analoge Anwendung der Bestimmungen des KSchG wirklich zulässig? Worauf kommt es an?

Unlängst hat sich auch der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dieser Thematik befasst. Im vorliegenden Fall standen sich zwei Verbraucher gegenüber. Bei der Klägerin handelte es sich um eine Wohnungseigentümerin, welche die Wohnung an den Beklagten vermietet hatte. Der von beiden Parteien unterschriebene Mietvertrag wurde unter Verwendung einer vorgefertigten „Vertragsschablone“ von der Klägerin erstellt. Viele Teile des Vertrages wurden nicht ausreichend ausgefüllt bzw. auf das konkrete Mietverhältnis angepasst. In diesem Mietvertrag sei nach Ansicht der Klägerin ein Kompensationsverbot gültig vereinbart worden. Der Beklagte wandte ein, dass die Vereinbarung eines Kompensationsverbots § 6 (1) Z 8 KSchG widerspreche.

KSchG – Schutz und Anwendbarkeit

Sinn und Zweck der Vorschriften des ersten Hauptstücks des KSchG ist es, Abhilfe zu schaffen, wenn im rechtsgeschäftlichen Verkehr Parteien mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Stärke, Erfahrung oder sonstiger Qualifikation aufeinandertreffen. Daraus resultieren für den schwächeren Vertragspartner Gefahren, die ausgeschalten bzw. gemindert werden sollen. Dabei wird gemäß § 1 (1) KSchG aber darauf abgestellt, dass einerseits ein Unternehmer, andererseits ein Verbraucher beteiligt sind. Auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten im Einzelfall kommt es nicht an. Unternehmer ist in diesem Zusammenhang jener Vertragsteil, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört. Für den Verbraucher trifft das nicht zu.

6 (1) KSchG hat über die Verbraucherverträge hinaus Bedeutung, weil er erkennen lässt, welche Vertragsregelung der Gesetzgeber für ungültig erachtet, wenn ungleich starke Vertragspartner einander gegenüberstehen. Doch auch hier hält der Gesetzgeber das Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis für besonders schutzwürdig.

Sittenwidrigkeit und gröbliche Benachteiligung?

Nach § 879 (1) ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der Hauptleistungen festlegt, ist nach § 879 (3) ABGB jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. Das führt zu § 6 (1) Z 8 KSchG, wonach für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinne des § 879 ABGB nicht verbindlich sind, nach denen sein Recht, Verbindlichkeiten (beispielsweise durch Aufrechnung) aufzuheben, gänzlich ausgeschlossen oder erheblich eingeschränkt wird. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist der vertragsmäßige Ausschluss der Aufrechnung jedoch nicht sittenwidrig, weil der anderen Partei die Geltendmachung der Gegenansprüche im Weg der Klage oder Widerklage weiterhin offenbleibt.

Im vorliegenden Fall standen sich zwei Verbraucher gegenüber, sodass gar kein Verbrauchergeschäft im Sinn des KSchG vorlag und § 6 (1) Z 8 KSchG nicht unmittelbar anzuwenden war. Der OGH legte fest, dass es unzulässig ist, in analoger Anwendung des § 1 KSchG ein Geschäft schlechthin dem ersten Hauptstück des KSchG zu unterstellen, weil zwischen den Parteien ein erhebliches Ungleichgewicht besteht. Sinnvolle und anwendbare Lösungen können nicht bzw. nur erschwert gefunden werden, wenn Analogie und teleologische Reduktion von Bestimmungen des KSchG ganz allgemein herangezogen werden, um Ungleichgewichtslagen im Einzelfall auszugleichen (veröffentlicht in OGH 4 Ob 71/20z).

Fazit: Aus dem bloßen Umstand, dass zwischen einem Vermieter und einem Mieter ein wirtschaftliches Ungleichgewicht bestehen mag, ist nicht die analoge Anwendung von Bestimmungen des ersten Hauptstücks des KSchG abzuleiten. Holt man bereits bei Vertragsabschluss juristischen Rat ein, so können auch andere „Stolpersteine“ aus dem Weg geräumt werden, denn selbst bei Verwendung eines Vertragsformblatts unter Verbrauchern ergibt sich keine als erheblich angesehene strukturelle Unterlegenheit, die zu einer gröblichen Benachteiligung im Sinne des § 879 (3) ABGB führen würde.

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