Nach § 934 ABGB können Verträge wegen Verkürzung über die Hälfte aufgehoben werden. Damit soll ein inhaltlich ungerechter Vertrag aufhebbar sein, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. Worauf kommt es an und kann die Bestimmung auch geltend gemacht werden, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist?
Für das Bestehen des Missverhältnisses nach § 934 ABGB ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Das stellte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) unlängst klar, als er sich mit dieser Frage befasste. Die Anfechtbarkeit eines Vertrags wegen laesio enormis soll dazu dienen, inhaltliche Ungerechtigkeiten eines Vertrags auszugleichen, indem dieser aufhebbar sein kann. Nach der Rechtsprechung kann die Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte auch schon vor vollständiger Erfüllung des Vertrags geltend gemacht werden. Dabei ist nur die Differenz zwischen dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung maßgeblich. Es kommt nicht darauf an, worauf diese Differenz beruht. Sie kann entweder auf eine Fehlbewertung der mangelfreien Leistung, also beispielsweise eine Fehleinschätzung des Verkehrswerts oder auf eine Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Sache zurückzuführen sein. Wichtig ist, dass diese zu einer falschen objektiven Bewertung durch die Partei geführt hat.
Ansprüche wegen Gewährleistung und wegen Verkürzung über die Hälfte können dem Gerichtshof zufolge nebeneinander bestehen. Der Aufhebungsanspruch nach § 934 ABGB kann daher auch geltend gemacht werden, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist.
Unbeachtet haben bei Prüfung der Voraussetzungen der laesio enormis bzw. bei der Ermittlung des Missverhältnisses nachträgliche Erfüllungsmängel zu bleiben, da der Wert der Sache bzw. der Leistungen ausschließlich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts maßgeblich ist.
Nach § 934 Satz 2 ABGB besteht ein Gegengestaltungsrecht, wenn sich der Vertragspartner dazu entschließt, an dem Vertrag festzuhalten und die objektive Äquivalenz vollständig herzustellen bzw. gegebenenfalls eine entsprechende Kürzung des eigenen Entgelts zu akzeptieren. Bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz kann die Vertragsaufhebung durch Herstellung des Wertgleichgewichts abgewendet werden (veröffentlicht in OGH 10 Ob 48/20m).
Fazit: Der Aufhebungsanspruch nach § 934 ABGB kann auch geltend gemacht werden, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist. Möchte der Vertragspartner am Vertrag festhalten, muss er den Abgang bis zum gemeinen Wert ersetzen, wobei das Wertmissverhältnis nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt wird. In Zusammenhang mit nachträglichen Erfüllungsmängeln sowie sämtlichen Ansprüchen aus Gewährleistung beraten wir Sie gerne individuell und einzelfallbezogen.
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