Im letzten Jahr kam die Frage, wie man sich kostenfrei von einer bereits gebuchten Pauschalreise wegen der Ausbreitung des Coronavirus am Urlaubsort lösen kann, vermehrt auf. Dieses Jahr stehen andere Fragestellungen im Pauschalreiserecht im Fokus, denn mit der Einführung des digitalen grünen Zertifikats soll die Reisefreiheit innerhalb der EU in absehbarer Zeit wieder in beinahe gewohnter Form zurückkehren. Einige heikle Rechtsfragen in Zusammenhang mit COVID-19, insbesondere im Privatrecht, sind noch ungeklärt.
Reisefreiheit – Relevante Bestimmungen
Der Impffortschritt in Europa ist erkennbar, die Infektionszahlen sinken und die seit einiger Zeit getrübte Reiselust beginnt wieder zu steigen. Auf Unionsebene wird diesbezüglich das digitale grüne Zertifikat (der grüne Pass) heiß erwartet. Damit sollen eingeführte Beschränkungen der Reisefreiheit zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 innerhalb der EU einheitlich aufgehoben werden. Hinter alldem steht eine Verordnung (VO (EU) 2021/0068). Die wesentlichsten Bestimmungen sind Art 5 bis 7, die auf die Ausstellung, Inhalte und Anerkennung des Impf-, Test- und Genesungszertifikats eingehen. Inhabern eines dieser drei Zertifikate soll die Wahrnehmung ihres Rechts auf Freizügigkeit wieder erleichtert werden. Damit werden zwar Rechtsfragen in Bezug auf die Ein- und Ausreise innerhalb der EU-Mitgliedstaaten geklärt, privatrechtliche Fragestellungen bleiben davon aber weitestgehend unberührt.
Privatrechtliche Fragestellungen
Trotz sinkender Infektionszahlen ist das Coronavirus weiterhin in der Bevölkerung vorhanden. So erscheint etwa die Frage interessant, ob Reisende kostenfrei von einer gebuchten Pauschalreise zurücktreten können, wenn die Reise aufgrund von Quarantänemaßnahmen nicht angetreten werden kann. Pauschalreisen sind solche, bei denen die Reisenden zumindest zwei Leistungen der Kategorien Beförderung, Unterbringung, Autovermietung und sonstige touristische Dienstleistung zu einem Gesamtpreis gebucht haben. Das Pauschalreisegesetz enthält für Quarantänemaßnahmen keine Anhaltspunkte, weswegen auf die allgemeinen Regeln zur Gefahrtragung zurückgegriffen werden muss. Nach diesen geht die Verhinderung infolge einer Erkrankung zulasten des Reisenden, weil sie aus dessen Sphäre kommt. Gleiches muss für die Quarantäne einer Kontaktperson der Kategorie 1 gelten. Demnach können Reisende in diesen Fällen nicht kostenfrei zurücktreten. Haben sie die Pauschalreise bereits angetreten und können sie aus solchen Gründen nicht wie geplant zurückreisen, müssen sie den weiteren Aufenthalt und die spätere Rückreise ebenfalls selbst bezahlen, sofern keiner der Leistungsträger dieses Ereignis unter Verletzung der vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten herbeigeführt hat.
Anders sieht die Lage hingegen aus, wenn eine Reiseversicherung abgeschlossen wurde. Der Großteil der Versicherer verzichtet nämlich (vorübergehend) auf den ansonsten branchenüblichen Pandemieausschluss, weshalb derartige Schadensfälle von der Reiseversicherung gedeckt sind.
Lokale Einschränkungen zulässig
Wenngleich der grüne Pass das Reisen innerhalb der EU wieder erleichtern soll, werden die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit haben, Einreisen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in spezifischer und begrenzter Form zu beschränken, beispielsweise wegen Virusmutationen. Dem Reisenden könnte in einem solchen Fall also eine Quarantäne bzw. Selbstisolierung am Urlaubsort oder bei der Rückreise nach Österreich drohen, auch wenn er eines der drei Zertifikate hat. Diese Szenarien werfen ebenfalls die Frage nach einem kostenfreien Rücktrittsrecht auf. Gehen entsprechende Einreisebeschränkungen vom Urlaubsland aus, kann sich der Reisende auf das Pauschalreisegesetz (PRG) berufen, da derartige Maßnahmen nach jetzigem Stand außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände im Sinne des § 10 Abs 2 PRG sind. Verhängt hingegen Österreich Einreisebeschränkungen, ist die Berufung auf das kostenfreie Rücktrittsrecht bei Reisen in die betroffenen Länder strittig.
Fazit: Auf Unionsebene werden zwar Rechtsfragen zur Ein- und Ausreise innerhalb der EU geklärt, privatrechtliche Fragestellungen bleiben davon aber nahezu unberührt. Lokale Einschränkungen sind zulässig und können zu Unannehmlichkeiten bei gebuchten Pauschalreisen führen. Teilweise muss auf die allgemeinen Regeln zur Gefahrtragung zurückgegriffen werden, wonach z.B. die Verhinderung infolge einer Erkrankung zulasten des Reisenden geht. Bei Einreisebeschränkungen kommt es darauf an, ob sie vom Urlaubsland ausgehen – dann kommt dem Reisenden ein Rücktrittsrecht nach dem PRG zu. Strittig ist die Rechtslage, wenn sie von Österreich ausgehen. Unserer Ansicht nach ist ein solches Recht aber eher zu verneinen, weil die Beschränkungen im Grunde nicht die Durchführung der Pauschalreise beeinträchtigen (sie werden ohnehin erst nach der Reise –nach Vertragserfüllung – schlagend). Ein kostenfreies Rücktrittsbegehren wäre somit vom PRG nicht gedeckt und es wäre vielmehr zu prüfen, ob die Umstände, die zur Verhängung der Einreisebeschränkungen geführt haben, selbst zum Rücktritt berechtigen könnten.
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