Unter bestimmten Voraussetzungen können Verträge angefochten werden, doch auf dieses Anfechtungsrecht kann grundsätzlich auch verzichtet werden. Nun stellt sich die Frage, wann von einem schlüssigen Verzicht ausgegangen werden kann bzw. darf, worauf es bei der Beurteilung dieser Frage ankommt und wie es im Fall eines stillschweigenden Verzichts oder sogar bloßer Untätigkeit aussieht?
Verzicht grundsätzlich möglich
Mit der Frage, ob bzw. nach welchen Kriterien davon ausgegangen werden kann, dass ein Vertragspartner schlüssig auf die Anfechtung des Vertrags (zum Beispiel wegen Irrtums) verzichtet hat, befassten sich kürzlich das Landesgericht für Zivilrechtssachen (LGZ Wien) und der Oberste Gerichtshof (OGH). Abgesehen von gewissen Ausnahmen wurde klargestellt, dass insbesondere bei einem Geschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher bereits bei Vertragsabschluss auf die Irrtumsanfechtung verzichtet werden kann. Nach Kenntnis der Anfechtbarkeit ist ein Verzicht auf das Recht der Vertragsanfechtung selbst bei Verbrauchergeschäften möglich und zwar auch in Form eines schlüssigen Verzichts, etwa indem sich die zur Anfechtung berechtigte Vertragspartei in Kenntnis des Irrtums weiter an den Vertrag hält.
Schlüssiger Verzicht?
Die Beurteilung, ob auf eine Anfechtung des Vertrags schlüssig verzichtet wurde, hat nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu erfolgen. Ein stillschweigender Verzicht darf immer nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er vom konkludent Erklärenden ernstlich gewollt ist. Maßgeblich ist nach allgemeinen Grundsätzen das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der konkludenten Willenserklärung gewinnen durfte und gewonnen hat. Auch der stillschweigende Verzicht muss nämlich dem anderen Teil gegenüber erklärt und von diesem angenommen werden.
Kein Zweifel
Weiters betont der OGH, dass die Annahme eines stillschweigenden Verzichts nach einem besonders strengen Maßstab zu beurteilen ist: Das Verhalten des Verzichtenden muss, aus Sicht des Erklärungsempfängers, bei Überlegung aller Umstände des Falls unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche den eindeutigen, zweifelsfreien, zwingenden Schluss zulassen, er habe ernstlich verzichten wollen. Es darf kein vernünftiger Grund zu zweifeln bleiben, dass der Betreffende mit seinem Verhalten genau diese Erklärung abgeben wollte. Die bloße Untätigkeit des Berechtigten ist für sich allein noch kein Grund, einen schlüssigen Verzicht annehmen zu können.
Zuletzt stellte der Gerichtshof noch klar, dass die Tatsachen, aus denen auf das Vorliegen eines schlüssigen Verzichts auf die Irrtumsanfechtung geschlossen werden kann, von jener Partei zu behaupten und zu beweisen sind, die sich auf den Verzicht beruft. Eine amtswegige Berücksichtigung ohne entsprechende Sacheinwendung der Partei ist ausgeschlossen (veröffentlicht in OGH 10 Ob 13/20i und LGZ Wien 34 R 66/18k).
Fazit: Die Beurteilung, ob auf eine Anfechtung des Vertrags schlüssig verzichtet wurde, hat nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu erfolgen. Ein stillschweigender Verzicht darf immer nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er vom konkludent Erklärenden ernstlich gewollt ist. Maßgeblich ist nach allgemeinen Grundsätzen das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der konkludenten Willenserklärung gewinnen durfte und gewonnen hat. Unser Rat lautet daher, auch den stillschweigenden Verzicht dem anderen Teil gegenüber zu erklären, denn ein solcher muss ebenfalls vom Vertragspartner angenommen werden. Die bloße Untätigkeit des Berechtigten ist für sich allein jedenfalls noch kein Grund, einen schlüssigen Verzicht annehmen zu können.
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