Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat zwischenzeitig, nach zusätzlich angesetzten Beratungen, weitere Entscheidungen über zwei Fälle getroffen, die sich gegen Gesetze und Verordnungen im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen richten. Bereits seit Ende März treffen laufend Anträge und Beschwerden betreffend COVID-19 am VfGH ein.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Das COVID-19-Maßnahmengesetz vom März 2020 sieht für Unternehmen, die von einem Betretungsverbot für Betriebsstätten betroffen sind (veröffentlicht in BGBl. II 96/2020), keinen Anspruch auf Entschädigung vor. Der nicht vorhandene Anspruch auf Entschädigung verstößt, so der VfGH, weder gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es ist daher verfassungskonform, dass das COVID-19-Maßnahmengesetz, anders als das Epidemiegesetz 1950, keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbots geschlossen wurden.
- Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass das COVID-19-Maßnahmengesetz im Fall eines Betretungsverbotes keinen Entschädigungsanspruch vorsieht, während das Epidemiegesetz 1950 für den Fall der Schließung eines Betriebes einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs gewährt. Dem VfGH zufolge sind diese Regelungen schon deshalb nicht miteinander vergleichbar, weil der Gesetzgeber mit dem Epidemiegesetz 1950 lediglich die Schließung einzelner Betriebe vor Augen hatte, nicht aber großräumige Betriebsschließungen, wie sie sich aus dem COVID-19-Maßnahmengesetz ergaben. Die gesetzliche Grundlage für Betretungsverbote in Bezug auf Betriebsstätten, Arbeitsorte und sonstige bestimmte Orte ist daher ebenso verfassungskonform.
- Gestützt auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz wurde mit Verordnung des Gesundheitsministers (veröffentlicht in BGBl. II 96/2020) unter anderem das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels untersagt. Dieses Betretungsverbot bedeutete letztlich, dass die betroffenen Betriebsstätten geschlossen werden mussten. Ausgenommen von diesem Verbot waren zunächst nur sogenannte systemrelevante Betriebe wie öffentliche Apotheken, der Lebensmittelhandel oder Tankstellen. Mit 14.4.2020 wurden weitere Betriebsstätten des Handels, wie beispielsweise Bau- und Gartenmärkte, ausgenommen. Sonstige Geschäfte durften nur betreten werden, wenn der Kundenbereich im Inneren 400 m2 nicht überstieg. Da diese Regelung mit 30.4.2020 außer Kraft trat, hatte sich der VfGH auf die Feststellung zu beschränken, dass diese Vorschrift gesetzwidrig war. Der VfGH sprach in der Folge aus, dass die Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist. Eine Differenzierung zwischen Bau- und Gartenmärkten und anderen großen Handelsbetrieben in der COVID-19-Maßnahmenverordnung verstößt gegen die Grenzen, die gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz bestehen, weswegen das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m2 gesetzwidrig war.
- 2 COVID-19-Maßnahmengesetz sieht vor, dass beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden kann, „soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist“. Außerdem kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen. Der VfGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Bestimmungen bezüglich der Betretungsverbote der Verordnung (COVID-19-Maßnahmenverordnung-98, veröffentlicht in BGBl. II 98/2020) gesetzwidrig waren, weil die Grenzen überschritten wurden, die dem zuständigen Bundesminister durch das COVID-19-Maßnahmengesetz gesetzt sind. Mit der Verordnung wurde nicht bloß das Betreten bestimmter, eingeschränkter Orte untersagt. Auch die in § 2 der Verordnung genannten Ausnahmen ändern nichts daran, dass ein derart umfassendes Verbot vom COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt ist. Dieses Gesetz bietet keine Grundlage dafür, eine Verpflichtung zu schaffen, an einem bestimmten Ort, insbesondere in der eigenen Wohnung, zu bleiben. Teilweise gesetzwidrig war daher auch die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte.
Einige der angefochtenen Bestimmungen waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH bereits außer Kraft. In Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung stellte der VfGH fest, dass das rechtliche Interesse eines Antragstellers, eine verbindliche Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit von Bestimmungen zu erwirken, über den relativ kurzen Zeitraum hinausreichen kann, in dem die Bestimmungen in Kraft waren.
Fazit: Das COVID-19-Gesetz ist verfassungskonform, Verordnungen über Betretungsverbote waren teilweise gesetzwidrig. Der Entfall von Entschädigungen für Betriebe verstößt nicht gegen das Eigentumsgrundrecht und den Gleichheitsgrundsatz. Der VfGH kann auch außer Kraft getretene Maßnahmen kontrollieren.
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