Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 wurden umfassende Maßnahmen getroffen, die das (Wirtschafts-)Leben nahezu vollständig zum Erliegen gebracht haben. Dass die gegenwärtige Ausnahmesituation zu einem erheblichen Konflikt zwischen Mietern und Vermietern geführt hat, haben wir bereits in unserem Beitrag ( Müssen Vermieter coronabedingt massive Zinsausfälle hinnehmen? (immobilienrecht-klagenfurt.at)erläutert. Wie das Risiko zwischen Bestandnehmer und Bestandgeber verteilt ist, stellt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Frage dar.

Als Folge der umfangreichen Ausgangs- und Verkehrsbeschränkungen bzw. Lockdowns können, zusammengefasst, zumindest drei Konstellationen unterschieden werden, welche im Hinblick auf die Rechtsfolgen differenziert zu bewerten sind:

  1. Betriebe, die aufgrund der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ihre Miet- oder Pachtobjekte überhaupt nicht vertragsgemäß nutzen können (z.B. jene, die unmittelbar von Betretungsverboten und Betriebsschließungen erfasst sind)
  2. Betriebe, für die der bedungene Gebrauch eines Bestandobjekts durch die behördlichen Anordnungen bloß (zeitlich oder räumlich) eingeschränkt wird und ein reduzierter Betrieb möglich ist (z.B. eine Bäckerei)
  3. Betriebe, die das Bestandsobjekt weiterhin uneingeschränkt nutzen können, wegen erheblicher Umsatzeinbußen aber „freiwillig“ entscheiden, für bestimmte Zeit zu schließen

Die Herausforderung besteht darin, diese drei Varianten ins Regelungsregime der §§ 1104 – 1108 ABGB einzuordnen.

Zur Gefahrtragung im Vertragsverhältnis sind die Regelungen im ABGB lückenhaft und zum Teil widersprüchlich. Für den Bestandvertrag finden sich dazu jedoch spezielle Regeln in den §§ 1096, 1104ff ABGB. Als Möglichkeiten für die Bestandzinsminderungen kommt insbesondere § 1096 Abs 1 S 2 ABGB in Betracht. Diese Bestimmung umfasst Gebrauchsbeeinträchtigungen aus Verschulden des Vermieters oder aufgrund von gewöhnlichen Zufällen. Besonders wesentlich sind jedoch für die hier thematisierte Problematik die §§ 1104 f ABGB. In unserem Beitrag (Auswirkungen von COVID-19 auf das Bestandsrecht? (immobilienrecht-klagenfurt.at) haben wir bereits ausführlich auf diese Bestimmung, also die Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts infolge außerordentlicher Zufälle, Bezug genommen.

Ergänzend muss erwähnt werden, dass die Regelungen der §§ 1104 f ABGB nachgiebiges Recht sind und es den Vertragsparteien somit freisteht, abweichende Vereinbarungen zu treffen, welche dann Vorrang genießen.

Wird der Gebrauch des Bestandgegenstandes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernis oder Unglücksfall vereitelt, fällt dies nach § 1107 ABGB dem Bestandnehmer zur Last und er muss den Zins entrichten. Die Abgrenzung zwischen §§ 1104 f und § 1107 ABGB ist im Einzelfall jedoch nicht immer einfach. Entscheidend ist dabei, ob dem Bestandnehmer eine gewisse Eigenschaft des Bestandobjekts (wenn auch konkludent) zugesagt wurde und die allgemeinen Verkehrsbeschränkungen den bedungenen Gebrauch beeinträchtigen.

Fazit:

Dass COVID-19 ein außerordentlicher Zufall ist, der den Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen eröffnet, steht fest. Ob die Unbrauchbarkeit des Bestandsobjekts Folge des außerordentlichen Zufalls ist, womit der Mieter zur Zinsminderung nach §§ 1104f ABGB berechtigt ist, muss im Einzelfall geprüft werden.

Wird der bedungene Gebrauch durch die behördlichen Maßnahmen dagegen nicht berührt, trägt der Bestandnehmer nach § 1107 ABGB das wirtschaftliche Risiko. Vertragliche Vereinbarungen haben stets Vorrang.

 

Dies ist zumindest der gesetzliche Hintergrund – zu Beratungszwecken in Bezug auf Ihren konkreten Einzelfall kontaktieren Sie uns gerne jederzeit.

Da die Thematik „am brodeln“ ist, wird mit großer Spannung auf weitere Urteile (zum derzeitigen Stand der Rechtsprechung lesen Sie unseren Beitrag – Konträre Standpunkte – Was wurde bisher entschieden? (immobilienrecht-klagenfurt.at), vor allem aber auf höchstgerichtliche Entscheidungen gewartet.

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