Ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt, ist in erster Linie davon abhängig, ob sich dieser während der dienstlichen Tätigkeit am Arbeitsplatz ereignet. Wegen der Corona-Pandemie hat die Bedeutung von Homeoffice stark zugenommen. Daher stellt sich nun die Frage, ob es sich auch um einen Arbeitsunfall handelt, wenn sich dieser zwar während der offiziellen Dienstzeit, jedoch in den eigenen Wohnräumlichkeiten ereignet?
Homeoffice als Arbeitsstätte
Der österreichische Gesetzgeber hat der (schon vor der Pandemie) zugenommenen Bedeutung von dienstlichen Tätigkeiten, die außerhalb des klassischen „fixen“ Arbeitsplatzes vorwiegend mittels (mobiler) elektronischer Kommunikation bzw. „Teleworking“ erfolgen, Rechnung getragen: Im Unfallversicherungsrecht wurde der Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) als Arbeitsstätte bezeichnet und Unfälle, die im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung im Homeoffice stehen, wurden als Arbeitsunfälle qualifiziert.
Dauerregeln
Arbeit im Homeoffice liegt dem Gesetz zufolge vor, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig Arbeitsleistungen in der Wohnung erbringt. Wichtig ist, dass die Regelungen zum Homeoffice nicht mehr als (auf die Geltungsdauer der COVID-19-Maßnahmen) zeitlich beschränkte reine Krisenmaßnahme konzipiert sind, sondern in das Dauerrecht übernommen worden.
OGH: Homeoffice-Unfall
Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte bislang größtenteils auf ein Überwiegen der betrieblichen Nutzung des konkreten Unfallorts ab. Dies wurde jedoch angesichts der zunehmenden Bedeutung von Homeoffice kritisiert und ist nach Ansicht der neueren Rechtsprechung nicht aufrecht zu erhalten. Unlängst hatte der OGH mit einem Fall zu tun, in welchem es zu einem Unfall kam, weil zur Entgegennahme eines dienstlichen Telefonats im Arbeitszimmer (Homeoffice) die Innentreppe des Wohngebäudes benutzt wurde. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Fortbewegung über eine nicht überwiegend zu betrieblichen Zwecken benutzte Innentreppe des Wohngebäudes hier keinem privatwirtschaftlichen Zweck (beispielsweise eine Bewegung in Zusammenhang mit einer Mittags- oder Kaffeepause) diente. Sie war ausschließlich von der objektivierten Handlungstendenz in Richtung einer dienstlichen Tätigkeit getragen. Der Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis und der Unfallversicherungsschutz waren daher zu bejahen (veröffentlicht in OGH, 10 Ob S 15/21k).
Fazit: Die bisherige Rechtsprechung des Abstellens auf ein Überwiegen der betrieblichen Nutzung des konkreten Unfallorts bei Unfällen während dienstlicher Tätigkeiten in den eigenen Wohnräumlichkeiten wird angesichts der zunehmenden Bedeutung von Homeoffice und der neueren Rechtsprechung nicht aufrechterhalten. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr, ob die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten ausschließlich in Richtung einer dienstlichen Tätigkeit gerichtet ist. Zu beachten ist außerdem, dass es sich bei den Homeoffice-Regelungen um keine Ausnahme- sondern um Dauerregeln handelt.
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