Im pandemiebedingten Streit um Geschäftsraummieten gibt es eine neue Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH): Besteht eine zumutbare Möglichkeit, während eines Lockdowns wenigstens ein Liefer- oder Abholservice zu betreiben, ist ein Geschäftslokal nicht gänzlich unbenützbar. Was folgt nun daraus?
In unseren Beiträgen haben wir Sie bereits über die Entwicklungen im coronabedingten Streit um Geschäftsraummieten informiert. Der OGH hat wiederholt entschieden, dass keine Miete zu zahlen ist, wenn ein Geschäftslokal aufgrund eines Betretungsverbots infolge der Pandemie unbenützbar war. Nun gibt es eine neue Entscheidung zu diesem Thema, wonach schon die bloße Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice zu betreiben, als verbleibender Restnutzen zu werten sein kann – es sei denn, die Einrichtung solcher Dienste wäre dem Mieter nicht bzw. nicht sofort zumutbar.
Die Frage der Zumutbarkeit
Unzumutbar wäre die Einrichtung eines bisher nicht betriebenen Liefer- oder Abholdienstes laut OGH jedenfalls dann, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. Um das zu beurteilen, braucht es eine fundierte Prognoserechnung. Aber auch andere Gründe, wie etwa räumliche oder technische Hindernisse, durch die das nicht (sofort) infrage kommt, sind denkbar.
Räumungsklagen zu befürchten?
Ein Vermieter kann bei einem qualifizierten Mietrückstand auf Räumung klagen. Der Mieter kann das jedoch abwenden, sofern ihn kein grobes Verschulden trifft, indem er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, die der Entscheidung erster Instanz über die Räumung unmittelbar vorangeht, die Miete nachzahlt. Dazu muss man jedoch wissen, ob und in welcher Höhe man überhaupt etwas schuldet und genau das ist in den meisten Fällen häufig unklar. In einem anhängigen Verfahren muss deshalb zunächst darüber entschieden werden, dann kann der Mieter gegebenenfalls noch nachzahlen.
Bewertung eines allfälligen Restnutzens
Wie ein allfälliger Restnutzen zu bewerten ist, lässt sich nicht generell beantworten. Das Ausmaß der Zinsminderung, also des auf Basis eines hypothetischen Restnutzens zu zahlenden Mietzinses, hängt dem Gerichtshof zufolge von der zu erwartenden Bedeutung eines Liefer- und Abholservices für den Betrieb ab. Judikatur, die das konkretisiert, steht noch aus (veröffentlicht in OGH 8 Ob 131/21d).
Fazit: Schon die bloße Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice zu betreiben, kann als verbleibender Restnutzen zu werten sein, sofern die Einrichtung solcher Dienste dem Mieter zumutbar ist. Eine Beurteilung der Zumutbarkeit erfolgt im Einzelfall. Damit Mieter keine Räumungsklagen befürchten müssen, sollten sie genau wissen, ob und in welcher Höhe sie dem Vermieter noch etwas schulden. In Anbetracht des neuen Judikats ist es jedoch anzuraten, nicht abzuwarten, bis das im Detail feststeht, sondern eine Zahlung unter Vorbehalt zu leisten und so Zahlungsbereitschaft zu bekunden. In diesem Zusammenhang stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.
Unsere Mitarbeiter stehen Ihnen telefonisch unter 0463 – 50 00 02 oder per E-Mail unter office@rechtdirekt.at zur Verfügung.
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