In unseren Beiträgen (COVID-19 Update im Streit um Geschäftsraummieten – Neue Urteile (immobilienrecht-klagenfurt.at) haben wir Sie bereits ausführlich hinsichtlich des pandemiebedingten Streits um Geschäftsraummieten informiert. Bislang fehlte höchstgerichtliche Rechtsprechung, doch nun hat der Oberste Gerichtshof (OGH) erstmals eine Entscheidung zu § 1104 ABGB gefällt. Die Kernfrage lautete, ob auch die Pflicht zur Mietzahlung entfällt, wenn ein Mietobjekt aufgrund von Betretungsverboten im Lockdown nicht benutzt werden kann bzw. konnte.
Der Anlassfall – gleichzeitige Klagen
Anlassfall der Entscheidung war ein Streit zwischen einem Sonnenstudio und dessen Vermieter. Der Betreiber des Studios konnte das Geschäftslokal während des ersten Lockdowns im März und April 2020 aufgrund der Betretungsverbote nicht nutzen. Deshalb bezahlte er im April 2020 weder Miete noch Betriebs- oder Heizkosten. Daraufhin zog der Vermieter vor Gericht und verlangte die Räumung des Geschäftslokals. Das wurde ihm aufgrund der ausständigen Mietzahlungen zunächst auch bewilligt. Allerdings klagte gleichzeitig das Sonnenstudio auf gerichtliche Feststellung, dass es die Mietzahlung im Zeitraum von 1. April bis 30. April 2020 zurecht verweigerte. Der vereinbarte Zweck des Mietvertrags sei der Betrieb eines Sonnenstudios gewesen. Infolge der COVID-19-Pandemie konnte das Geschäftslokal aber nicht genutzt werden.
Ansicht des OGH
Weil zunächst zugunsten der Mieter entschieden wurde, erhob der Vermieter Revision, sodass der OGH mit dem Fall betraut wurde. Der Gerichtshof bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanzen und stellte abschließend fest: Mieter müssen keinen Mietzins bezahlen, wenn der Mietgegenstand wegen „außerordentlicher Zufälle“ wie insbesondere „Feuer, Krieg oder Seuche“ nicht genutzt werden kann. Rechtsgrundlage dafür ist § 1104 ABGB, der dies ausdrücklich vorsieht.
Dass es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine „Seuche“ und damit um einen Anwendungsfall dieser Bestimmung handelt, bestätigte der OGH und beurteilte alle Voraussetzungen des § 1104 ABGB im Anlassfall als unzweifelhaft erfüllt. Schließlich konnte der Mieter das zum Betrieb eines Sonnenstudios gemietete Geschäftslokal auch nicht teilweise nutzen. Der bloße Verbleib von Einrichtungsgegenständen im Lokal ist, so der Gerichtshof, keine Nutzung zum vertraglich vereinbarten Zweck.
Klare Entscheidung aber offene Fragen
Mit dieser letztinstanzlichen Entscheidung steht nun fest, dass in Lockdownzeiten keine Miete und keine Betriebskosten bezahlt werden müssen. Trotz dieser klaren Worte, werden einige Fragen offengelassen. So z.B. wie und in welchem Umfang andere Möglichkeiten der Restnutzung zu beurteilen sind. Infrage kommt etwa das Anbieten von Take-Away im Bereich der Gastronomie oder das Nutzen der Räume für Onlinekurse in Fitnesscentern. Höchst fragwürdig ist auch, ob Förderungen wie der Fixkostenzuschuss an die Vermieter weiterzuleiten sind. Dies ließ der OGH allerdings offen.
Was gilt für Pachtverträge?
Außerdem ist das Urteil vorerst nur für Mietverhältnisse maßgeblich. Für Pachtverträge gibt es noch keine letztinstanzliche Entscheidung. Sollten Pachtobjekte gänzlich unbrauchbar gewesen sein, gilt aber wohl dasselbe. In Fällen, in denen das Pachtobjekt eingeschränkt nutzbar war, ist die Rechtslage noch ungeklärt. Die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Miet- und Pachtverhältnissen überhaupt erlaubt ist, beschäftigt derzeit auch den Verfassungsgerichtshof (veröffentlicht in OGH 3 Ob 78/21y).
Fazit: Mit der Entscheidung des OGH steht nun fest, dass Mieter, die ihr Objekt aufgrund von außerordentlichen Zufällen wie einer Seuche nicht nutzen können, keine Miete bezahlen müssen. Das gilt auch im Fall von Betretungsverboten wegen COVID-19. Unsere bisherige Rechtsansicht ( Auswirkungen von COVID-19 auf das Bestandsrecht? (immobilienrecht-klagenfurt.at) wurde nun also letztinstanzlich bestätigt. Damit ist aber noch längst nicht alles gesagt, sodass weitere Rechtsprechung insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Förderungen wie dem Fixkostenzuschuss oder der „Restnutzungsthematik“ mit Spannung erwartet wird.
Unsere Mitarbeiter stehen Ihnen telefonisch unter 0463 – 50 00 02 oder per E-Mail unter office@rechtdirekt.at zur Verfügung.
Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und erstellt.
Eine Haftung für die Richtigkeit wird nicht übernommen.