In Zeiten von COVID-19 boomt vor allem eines – der Onlinehandel. Dabei kann es schnell passieren, dass man im Webshop bestellte Waren plötzlich doch nicht mehr haben möchte. Wer gern online einkauft, weiß daher besonders zu schätzen, dass man in den meisten Fällen die im Internet bestellte Ware wieder zurückschicken kann. Doch gilt das für alle Bestellungen und welche Fristen sind zu beachten? Schließlich würden unbeschränkte Rücktrittsmöglichkeiten den Unternehmen schaden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diesen in einer aktuellen Entscheidung den Rücken gestärkt.

Grundsätzlich gilt für so genannte Fernabsatz- bzw. Auswärtsgeschäfte, also all jene Verträge, die mit einem Verbraucher außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmens abgeschlossen werden, eine mindestens vierzehntägige Rücktrittsfrist. Das trifft also nicht bloß bei Online-Bestellungen zu. Umso wichtiger ist es, hier genauer hinzusehen.

Ausnahmen – individualisierte Waren?

Es gibt tatsächlich ein paar Ausnahmen, welche immer wieder zu Streitigkeiten führen. Von besonderer Bedeutung sind „individualisierte Waren“. Wann eine Ware als „individualisiert“ anzusehen ist, könnte als Streitfrage angesehen werden, doch damit hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) schon mehrfach befasst (vergleiche dazu beispielsweise OGH 1Ob122/19a). Das Rücktrittsrecht entfällt folglich, wenn Waren nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind. Das können nach Angaben des Kunden hergestellte Maßmöbel sein, Schmuckstücke mit persönlicher Gravur oder auch speziell angefertigte, eventuell nach Kundenwunsch verzierte Textilien. In all diesen Fällen handelt es sich um Sonderanfertigungen, welche das Unternehmen meist nicht an einen anderen Kunden weiterverkaufen kann, wenn der Besteller die Ware letztlich doch nicht haben möchte. Ein Rücktrittsrecht für solche individualisierten Waren würde für die Unternehmen ein enormes Risiko darstellen, welches ihnen nach EU-Recht ausdrücklich nicht aufgebürdet werden soll. Einen Vertragsrücktritt müssen sie also hier nicht hinnehmen.

Ab wann fällt das Rücktrittsrecht weg?

Fest steht: Wer individualisierte Waren bestellt, muss sie auch bezahlen. Ab wann das gilt, ist jedoch bislang umstritten gewesen. Gilt die Regelung wirklich bereits ab der Bestellung oder erst, wenn das Unternehmen mit der Herstellung bzw. Individualisierung der Ware begonnen hat?

Natürlich tendieren vor allem Konsumentenschützer zur letzteren Ansicht. Ihr Argument ist, dass vor der Herstellung beim Unternehmen kein spezifischer Aufwand entstanden ist und es auch nicht befürchten muss, dass es auf dem individualisierten Produkt am Ende sitzen bleibt. Genau dieser Rechtsansicht hat nun jedoch der EuGH in einem Fall aus Deutschland eine Absage erteilt. Es ging um den Kauf einer Einbauküche, den der Kunde später widerrief. Der Vertrag wurde hier zwar nicht online abgeschlossen, jedoch auf einer Messe (ebenso Fernabsatz- bzw. Auswärtsgeschäft). Die Kernaussagen des Urteils sind daher genauso auf den Onlinehandel übertragbar.

Der EuGH stellte fest, dass es dem Kunden im konkreten Fall nichts nützen darf, wenn der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen wurde. Die Bestellung wurde seitens des Kunden widerrufen, noch bevor das Unternehmen mit der Anfertigung der Küche begonnen hatte und genau darauf soll es nach Ansicht des Gerichtshofs nicht ankommen.  Zur Argumentation der Entscheidung wurde der Wortlaut der Regelung in der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83) herangezogen. Darin deutet nichts darauf hin, dass ein erst nach Vertragsabschluss eintretendes Ereignis dafür ausschlaggebend sein soll, ob ein Rücktrittsrecht des Kunden besteht oder nicht. Entscheidend ist vielmehr ausschließlich der Vertragsinhalt.

Vorrang für die Rechtssicherheit?

In seiner Entscheidung betonte der EuGH, dass es Sinn und Zweck der Verbraucherrechte-Richtlinie ist, die Rechtssicherheit bei Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern zu erhöhen. Die Situation, dass ein Recht des Verbrauchers davon abhängig gemacht wird, wie weit die Arbeiten des Unternehmens zur Erfüllung des Auftrags bereits fortgeschritten sind, soll daher vermieden werden. Darauf hat der Kunde keinerlei Einfluss und wird in den meisten Fällen auch nicht darüber informiert (veröffentlicht in EuGH C-529/19).

Fazit: Bei individualisierten Waren gibt es grundsätzlich kein Rücktrittsrecht, auch nicht bei Fernabsatz- bzw. Auswärtsgeschäften. Ob der Unternehmer bereits mit der speziellen Anfertigung begonnen hat, ist nicht von Belang. Um klare Verhältnisse zu schaffen, muss der Unternehmer seine Kunden jedoch vor Vertragsabschluss darüber aufklären, dass das Widerrufsrecht nicht besteht. Es lohnt sich auch im Onlinehandel, den Vertragsinhalt genau zu kennen. Mit juristischer Hilfe können Unternehmen Vorlagen für Onlineverträge erstellen, sodass letztlich für sie und Ihre Kunden Rechtssicherheit gewährleistet ist.

Gerne beraten wir Sie in diesem Zusammenhang! Unsere Mitarbeiter stehen Ihnen telefonisch unter 0463 – 50 00 02 oder per E-Mail unter office@rechtdirekt.at zur Verfügung.

Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und erstellt.

Eine Haftung für die Richtigkeit wird nicht übernommen.